Bravo Amerika?! Europäische Jugendmedien und der populärkulturelle Einfluss aus Übersee

Bravo Amerika?! Europäische Jugendmedien und der populärkulturelle Einfluss aus Übersee

Europäische Jugendmedien der 1960er und 70er Jahre sind nicht denkbar ohne den Einfluss transatlantischer populärer Jugendkultur. ‚Die USA‘ spielten für Medienschaffende ‚auf dem Kontinent‘ stets eine – obgleich höchst ambivalente – Rolle, changierten laut Kaspar Maase u.a. permanent zwischen „Vorbild und Schreckbild“, zwischen Negativexempel und best practice-Beispiel. Dabei lassen sich unterschiedliche Phasen des Umgangs mit US-amerikanischer Populärkultur ausmachen.

Quelle. https://www.imdb.com/title/tt0040048/mediaviewer/rm2260208128

Als Prämisse bleibt ferner festzuhalten, dass in allen Entwicklungsstufen europäischer Jugendmedien eine Gleichzeitigkeit von nationaler und transnationaler Populärkultur bzw. durchweg eine quantitative Dominanz „heimischer“ Medienproduktionen zu konstatieren ist. Die Zeit zwischen 1956 und 1963 kann als Phase der Emanzipation europäischer Jugendmedien erachtet werden. In der Zeitschriften-, Film- und Fernsehbranche entstehen die ersten kommerzialisierten (Jugend-)Formate, ‚Medienpioniere‘ wie Bravo oder Juke Box Jury, die sich in ihren Vermarktungsstrategien und konkreten Inhalten noch stark am US-amerikanischen Vorbild abarbeiten, während gleichzeitig auf dem Comicsektor heftige „moral panic“-Debatten rund um gewaltverherrlichende und verrohende „(horror) comics“ ausgetragen werden. Trotz des unbestreitbar großen Einflusses US-amerikanischer Populärkultur in jenen Jahren lassen sich jedoch vereinzelt schon erste innereuropäische Initiativen im Jugendmedienbereich wie z.B. die Gründung der Europress Junior 1960 erkennen.

Die Jahre zwischen 1964 und etwa 1979/80 können als „Kernphase“ einer beschleunigten Europäisierung, Herausbildung eines „Mainstreams“ sowie einer zunehmenden Ausdifferenzierung von Jugendmedien erachtet werden. Bis 1971 im Kontext des Primates nunmehr britischer populärer Jugendkultur boomte die Branche der ‚Popzeitschriften‘, es entstanden zahlreiche, allerdings häufig nur sehr kurzlebige binneneuropäische Kooperationen und innereuropäische Adaptionen, v.a. was die zeitgenössischen Jugendmusiksendungen anbelangte. Nach 1971 sind die Kooperationen punktueller, dafür zumeist langlebiger bzw. überhaupt erfolgreich. ‚Die USA‘ rücken als populärkultureller Ideengeber in dieser Zeit zusehends in den Hintergrund.

Im Zuge eines neuerlichen Globalisierungsschubes gelangten europäische Medienformate am Übergang der 1970er zu den 1980er Jahren verstärkt auf internationale Märkte, MTV wird leitbildgebend auch für das europäische Musikfernsehen. Gleichzeitig lässt sich eine Form der „Renationalisierung“ von Jugendmedien ausmachen, was sich u.a. an der Renaissance von Schlagerfilmen im Rahmen der Neuen Deutschen Welle oder dem (gescheiterten) Revival von Oh Boy! zeigt. „Jugend“ als Konzept und Zielgruppe verliert zusehends an Bedeutung bei gleichzeitig hoher Saturiertheit der nationalen Märkte, was in der Folge zu einer weitreichenden Dezimierung von Jugendmedien aller Branchen führte. Konzepte wie „Amerikanisierung“ und „Europäisierung“ haben nunmehr ausgedient und erweisen sich als heuristische Kategorien für eine transnationale Jugendmediengeschichte spätestens nach 1984/85 als nicht weiter tragfähig.

Aline Maldener