Jenseits der Kinderfilme

Neben meinem Projektthema der Kinderfilmserien, aber im Kontext von „Populärkultur transnational“ habe ich mich in den letzten Monaten mit der Folkbewegung der 60er und 70er Jahre befasst und die Ergebnisse in einem Vortrag auf der von Detlef Siegfried und David Templin organisierten Tagung des Archivs der deutschen Jugendbewegung auf der Burg Ludwigstein zum Thema „Lebensreform um 1900 und Alternativmilieu um 1980“ vorgestellt.

In meinem Beitrag „Vom Zupfgeigenhansl zu Zupfgeigenhansel“ geht es um die Brüche und Kontinuitäten zwischen dem Wandervogel und der Deutschfolkbewegung der 1970er Jahre. Ausgehend von einer intensiven Betrachtung der Volksliedpraxis der Jugendbewegung vom Wandervogel bis in die 1960er Jahre, habe ich dann vor allem die Folkrevivals in den USA, England, Irland, der Bretagne und anderen europäischen Ländern und Regionen in den Blick genommen und so den Bezug der Deutschfolkbewegung auf diese musikalischen Strömungen herausgestellt, der stärker wirksam war als die jugendbewegten Singtraditionen. Im Ablauf des Aneignungsprozesses allerdings sind etliche Hinweise zu finden, die auf spezifisch west- (und ost-)deutsche Rezeptionen und Adaptionen hindeuten: langfristige Musikpraktiken, Repertoireentscheidungen, abgebrochene und neu erfundene Traditionen, politische Vereinnahmungen, insbesondere zu nennen der Umgang des NS mit „Volksliedern“ und der musikpädagogische Überhang jugendbewegter Musizierpraxis bis weit in die sechziger Jahre.

Der Beitrag wird im nächsten Jahr in einem von Susanne Rappe-Weber, Detlef Siegfried und David Templin herausgegebenen Band in der Reihe des Jahrbuches des Archivs der Jugendbewegung erscheinen.

Im gerade von Clemens Zimmermann/Aline Maldener und mir herausgegebenen Band „Landmedien. Kulturhistorische Perspektiven auf das Verhältnis von Medialität und Ruralität im 20. Jahrhundert“ (StudienVerlag Wien) habe ich in meinem Beitrag „Wie Woodstock aufs Land kam“ die „Medienpraktiken einer ländlichen Jugendkultur der siebziger Jahre“ untersucht. Ausgehend von einem von einer Jugendzentrumsinitiative produzierten Film über ein von ihr organisiertes dörfliches Open Air Festival im Jahr 1977 zeige ich die Orientierung von Festival und Film an medial transportierten Vorbildern (Woodstock etc.) auf, aber auch wie sich die im dörflichen Kontext sich oppositionell verortende Jugendkultur einerseits durch Medienkonsum selbst definiert (v.a. durch Zuordnung zu bestimmten Sparten von Rockmusik), wie sie andererseits selbst auch als Medienproduzent (Flugblätter, Zeitungsartikel, Filmarbeit) auftritt. Auch dieser Beitrag ist eng an unser Projektthema Populärkultur transnational angelehnt, da hier die lokalen Aneignungen globaler Jugendkulturen seit den sechziger Jahren aufgezeigt werden.

Gunter Mahlerwein