Für den 11. Workshop der Forschungsgruppe “Popkult60”, der sich dem Spannungsfeld “Populärkulturelles – Kulturökonomisches” widmet, kommt der Historiker Klaus Nathaus (University Oslo) am 30. März 2022 nach Luxemburg. Dort wird er einen Vortrag zu “Erwartungen und Erwartungserwartungen. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in der Populärkultur des 20. Jahrhunderts” halten.
Historische Forschungen beschreiben das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf den Märkten für Kulturgüter üblicherweise als Machtkampf. Demnach versuchten einerseits die AnbieterInnen, die Kundschaft mit standardisierten Produkten zu gängeln, während andererseits die RezipientInnen das Angebot entweder mittels ihrer Geldbeutel auf die Spur ihrer Bedürfnisse lenkten oder es eigenwillig zweckentfremdeten. Der Vortrag geht demgegenüber davon aus, dass ProduzentInnen von Kultur, die finanziell in Vorleistung gehen müssen, durch Unkenntnis zukünftiger Nachfrage von den KonsumentInnen getrennt sind. Um den Wandel des popkulturellen Angebots zu erklären, müssen HistorikerInnen deshalb zunächst einmal untersuchen, an welchen Erwartungen sich Kulturanbieter ausrichteten und wie diese Erwartungen gebildet wurden. Solche Untersuchungen haben die Kulturwirtschaft mit ihren Akteuren, Strukturen und Prozessen zum Gegenstand; sie ersetzen einfache Rückschlüsse von Repertoires auf Werte oder Wünsche. Das Primat der Produktionsanalyse bedeutet durchaus nicht, dass AnbieterInnen die Rezeption kontrolliert hätten. RezipientInnen machten sich ihren eigenen Reim auf das Gebotene, allerdings mit stetem Seitenblick darauf, dass relevante Andere zur gleichen Zeit mit dem selben Angebot das gleiche taten. Populäre, d.h. allseits als bekannt vorauszusetzende Kultur wirkte mithin nicht so sehr als Mittel der Kontrolle oder Medium von Emanzipation, sondern als Zumutung, die den Einzelnen zwang, Erwartungserwartungen auszubilden. Auf der Grundlage dieser konzeptuellen Überlegungen und mit dem Fokus auf Musik verweist der Vortrag auf zentrale Trends im Verhältnis von Angebot und Nachfrage in der Kulturwirtschaft des „langen“ 20. Jahrhunderts. Der weitere zeitliche Horizont wird auch deshalb gewählt, weil er neue Blicke auf den Pop der 1960er eröffnet.