Im Rahmen des 14. Workshops der Forschungsgruppe, der an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena stattfand, hielt die Kulturwissenschaftlerin Natascha Ueckmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) am 20. Juni 2023 einen Vortrag mit dem Titel “Von Vordenkern der Dekolonisierung bis zum dekolonialen Feminismus”. Hier finden Sie den Flyer des Workshops.
Gastvortrag von Natascha Ueckmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) Von Vordenkern der Dekolonisierung bis zum dekolonialen Feminismus
Der Vortrag lenkte den Blick auf die internationale, sprich englisch,- französisch- und spanischsprachige Forschung, die sich mit post- / dekolonialen Herausforderungen beschäftigt. Es gingum eine kritische Prüfung der westlichen Moderne; rassistische Unterdrückung und Gewalt als deren ‚dunkle Seite‘ (Walter Mignolo) zu verstehen. Schon 1955 verwies Aimé Césaire im Discours sur le colonialisme auf die ‚Entmenschlichung des Anderen‘ als Kontinuum westlichen Hegemonialstrebens. Hier ließen sich weitere anti- bzw. postkoloniale Kritiker wie Fanon, Memmi oder Baldwin anführen. In der lateinamerikanischen Theoriebildung wird die Verflechtung von Modernidad und Colonialidad sowie Möglichkeiten zur Dekolonialisierung des Wissens intensiv diskutiert. Diese Diskussion zielt auf die Revision der europäischen Moderne, verbunden mit Kolonialismus und Rassismus – was letztlich auf eine Stärkung eines Multidirectional Memory (Michael Rothberg 2009, dt. 2021) hinausläuft. Da der Schwerpunkt auf dem französischsprachigen Raum lag, begann der Vortrag mit der Négritude der 1930er Jahre und schlug einen Bogen bis zu Françoise Vergès‘ Essay Un féminisme décolonial (2019), in dem sie Feminismus ‚von der Kolonie aus‘ neu denkt. Sie fordert, dass ein dekolonialer Feminismus auf weit mehr zielen müsse als auf Assimilierung an eine neo-liberale Ordnung, in der sich die Bestrebungen der Frauen auf die Forderung reduziere, die Privilegien, die die weiße Vorherrschaft den Männern gewährt, 50/50 mit ihnen zu teilen.
Natascha Ueckmann ist Professorin im Institut für Romanistik / Kulturwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 2000 promovierte sie an der Universität Osnabrück zum Thema Frauen und Orientalismus: Reisetexte französischsprachiger Autorinnen des 19. und 20. Jahrhunderts (Stuttgart: Metzler 2001). 2011 schloss sie ihre Habilitation zur karibischen Literatur ab: Ästhetik des Chaos in der Karibik. Créolisation und Neobarroco in franko- und hispanophonen Literaturen (2014). Sie war von 2007 bis 2017 eine der Sprecherinnen des Instituts für postkoloniale und transkulturelle Studien an der Universität Bremen. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind: Karibik- und Diasporaforschung, Post- / Dekoloniale Literatur- und Kulturtheorien, Transkulturelles Gegenwartstheater, Gender Studies / Intersektionalitätsforschung, Autobiographik / Life-Writing. Aktuell organisiert sie das Projekt „Eine Uni – ein Buch“ an der Universität Halle.